Lumière et Pesanteur

Artists
Audio-Enführung
Zwischen Licht und Schwere
Sophie Emilie Beha im Gespräch mit Alex Hren
Programm
Programm
Kaija Saariaho 1952–2023
Lumière et pesanteur (2009)
für Orchester
Alex Hren *2002
Switch On (2024–25)
für Orchester
Uraufführung
Aline Sarah Müller *2001
Horizon & Heartbeats (till the last hiccup) (2024–25)
für Orchester
Uraufführung
Caspar Johannes Walter *1964
gekrümmte Räume (1999)
für Orchester
Zu den Werken
»Licht und Schwerkraft«
Lumière et pesanteur, der Titel eines 2009 konzipierten Orchesterwerks von Kaija Saariaho, benennt mit Licht und Schwerkraft zwei Begriffe, die einander krass gegenüberstehen. Vor dem Hintergrund, dass Licht genauso wenig der Schwerkraft unterliegt wie Klang, spielte die finnische Komponistin mit dem Spannungsverhältnis zwischen freiem Schweben schillernder Melodien und ihrer Erdung in einem flexiblen strukturellen Gerüst. Herausgelöst hat Saariaho Lumière et pesanteur aus ihrem weltlichen Oratorium La passion de Simone als Geschenk für ihren Landsmann Esa-Pekka Salonen, der dieses Oratorium über das Leben der Philosophin Simone Weil dirigiert hatte. Entrückte Trompetensoli und zart glitzernde Celesta-Klänge gemahnen an die Verklärung von Simone Weil und erzeugen in der eigenständigen Orchesterminiatur eine mystische Atmosphäre himmlischer Entgrenzung.
Lichtstrahl der Hoffnung
Auch die junge Generation zu fokussieren, ist für das Festival ACHT BRÜCKEN ein wesentlicher Aspekt – nicht nur in diesem Konzert, das in Kooperation mit der Hochschule für Musik und Tanz Köln stattfindet. Was hat die junge Generation zu sagen, was teilt sie mit ihrer Musik durch Worte Unsagbares mit, auch im Kontext der Werke älterer Komponierender? Aline Sarah Müller (*2001) und Axel Hren (*2002) geben darauf verblüffende, hochgradig individualisierte Antworten, die sich mit Grenzsituationen der Wahrnehmung – und mithin des Lebens – auseinandersetzen.
Licht und Dunkelheit sind auch in Alex Hrens Switch on (2024/25) maßgebliche metaphorische Elemente. Expandierende musikalische Strukturen generieren herbe Kontraste zwischen flimmernder Leuchtkraft und tiefer Nacht. Vorherrschende Macht ist der Schatten, aus dem verstreute Lichtbrechungen wie verzerrte Rufe in der Wüste hervorquellen. Mikrotonal eingefärbte Harmonien verleihen diesen Rufen selbst den Charakter des Geheimnisvollen und Unnahbaren – doch auch wenn sie die Schatten der Nacht kaum vertreiben können, lassen sie, in düsteren Zeiten, die Utopie eines Lichtstrahls der Hoffnung erahnen.
»Vergehen und Erwachen«
Aline Sarah Müller thematisiert in Horizon & Heartbeats (till the last hiccup) (2024/25) das Motiv von Zwiespalt und Unklarheit anhand der Dämmerung, in der sich, so die Komponistin, »Tag und Nacht berühren und sich ein flüchtiger Moment der Gleichzeitigkeit entfaltet – geprägt von Abschied und Neubeginn, von Vergehen und Erwachen«. Sie lädt das Publikum ein, einen Schwebezustand zwischen Tag und Nacht zu erleben, die Simultaneität »von Mehrdeutigkeit und Unklarheit zu erfahren und sich von ihr tragen zu lassen«.
Den Boden unter den Füßen wegreißen
In Gefilde jenseits der Schwerkraft tauchte der Komponist Caspar Johannes Walter in Gekrümmte Räume (1999) ein. Kosmische Dimensionen im physikalisch-mathematischen Sinne spiegeln sich im Klangbild indirekt wider; wogende Klangräume zeichnen sich durch Instabilität aus – als würde einem, im Zustand der Schwerelosigkeit, der Boden unter den Füßen weggerissen, was indes nicht nur physisch, sondern auch psychisch gemeint ist. Linearer Vorwärtstrieb und kontemplative Verräumlichung der Zeit überlagern sich; feinste Schwingungen werden im seelischen Innenraum hörbar und vor dem geistigen Auge sichtbar. All das geschieht auf der Ebene der Abstraktion, denn Walter hat die Gekrümmten Räume an kein konkretes außermusikalisches Sujet angebunden.
Egbert Hiller
Fragen an...
Wir haben den Künstlerinnen und Künstlern acht Fragen gestellt, deren Beantwortung ein persönliches Bild darüber ergeben sollte, welche Aspekte ihre musikalische Arbeit beeinflussen. Es blieb ihnen freigestellt, welche und wie viele der Fragen sie in ihrer eigenen oder einer ihnen vertrauten Sprache beantworten.
»… für ein paar Wochen in Dauerschleife …«
Aline Sarah Müller
Welche musikalische Assoziation hast du, wenn du das Festivalmotto »Licht« hörst?
Ganz unterschiedliche. Aber eine dieser vielen Assoziationen habe ich im Stück Horizon & Heartbeats verarbeitet, welches Sie in diesem Festival hören können.
Wie bist du zum Komponieren gekommen?
Ein wenig durch den Zufall. Ich war in einem Musikgymnasium und da war es obligatorisch als Abschlussarbeit ein Stück zu komponieren. Mit der Zeit faszinierte mich diese Tätigkeit immer mehr und ich hatte große Lust, dies weiterzuführen. Mir wurde dann geraten, mich für ein Kompositionsstudium zu bewerben und so begann ich mein Studium in Komposition.
Machst du auch selbst Musik?
Ja, natürlich! Ich komponiere 😊 und spiele Geige.
Welche Musik fasziniert dich beim Zuhören, die du nicht selbst komponierst?
Dies ist unterschiedlich und wechselt auch immer wieder. Meist entdecke ich neue Musik und höre diese für ein paar Wochen in Dauerschleife, bis ich sie fast nicht mehr hören kann.
Meine persönlichen Hits dieses Monats sind:
- Francis Poulenc: Concerto g-Moll für Orgel, Streicher und Pauken (insbesondere den 6. Satz liebe ich)
- Avishai Cohen Trio: The ever and ever evolving etude
- Jesus Molina
- Noga Erez
- Zaho de Sagazan: Mon iconnu
Und naja, die späten Beethoven-Quartette sind auch immer wieder großartig.
Was kann Musik, was nicht?
Musik kann vieles und einiges nicht: Musik verbindet Menschen, sie weckt Emotionen, ruft Erinnerungen hervor, lässt uns träumen und fantasieren. Hingegen fällt der Musik es schwer, insbesondere wenn kein Text vorhanden ist, explizit Themen anzusprechen und zu behandeln.
Was sind deine musikalischen Inspirationen?
Der Alltag oder das Leben von anderen Menschen, mein Alltag, gesellschaftliche Phänomene, soziale Konstrukte, visuelle Gegebenheiten … Meine Inspiration variiert je nach Komposition/Projekt und ich bin meist neugierig, mich in ein neues Thema einzulesen und anschließend darüber etwas zu schreiben.
Welche drei Dinge, die irgendetwas mit Musik zu tun haben, würdest du auf eine einsame Insel mitnehmen?
Ein solarbetriebenes Musikabspielgerät (mit einer Aufnahmefunktion wäre auch ganz nett), ein Musikinstrument, welches ich nicht beherrsche und schon lange einmal lernen möchte: Zum Beispiel Saxophon oder Drums und vielleicht doch auch noch eine Geige, da ich diese am Ende des Tages schon auch sehr mag.
Oder ein Laptop mit MAX MSP, damit ich dies endlich mal besser lerne.
»… ein offenes Feld der Möglichkeiten«
Alex Hren
Welche musikalische Assoziation hast du, wenn du das Festivalmotto »Licht« hörst?
Ich denke an Kontraste – Helligkeit und Dunkelheit, Klarheit und Unschärfe. Licht ruft auch Brechung, Schimmern, Prismen und die Art und Weise hervor, wie es sich in ein Farbspektrum aufspaltet, sowie verschiedene elektrische Phänomene.
Welche Rolle spielt für dich die zeitgenössische Musik in deiner kompositorischen Arbeit?
Für mich ist die zeitgenössische Musik nicht nur eine Stilrichtung, sondern ein offenes Feld der Möglichkeiten. Sie erlaubt mir, Grenzen auszuloten, Klang neu zu definieren und Hörerlebnisse zu erschaffen, die sowohl experimentell als auch tiefgründig sind.
Wie bist du zum Komponieren gekommen?
Mein Interesse an musikalischen Strukturen brachte mich dazu, darüber nachzudenken, wie verschiedene Phänomene, Ereignisse, von Menschen geschaffene Strukturen und Erfahrungen in Klang übersetzt werden könnten. Dieser Gedanke hat mich schließlich zum Komponieren geführt.
Machst du auch selbst Musik?
Ich spiele Klavier und experimentiere mit elektronischer Musik.
Denkst du, es macht einen Unterschied, wenn man die Musik, die du komponierst, mit geschlossenen Augen hört, und wenn ja, welchen?
Ja, der Entzug der visuellen Wahrnehmung schärft die Konzentration und macht subtile Details sowie die räumliche Tiefe besser erfassbar. Das führt zu einem intensiveren Hörerlebnis.
»Die Suche nach den geheimen Botschaften zwischen den Notenlinien«
Alexander Rumpf
Welche musikalische Assoziation haben Sie, wenn Sie das Festivalmotto »Licht« hören?
Spontan immer noch das C-Dur-Fortissimo aus Haydns Schöpfung.
Welche Rolle spielt für Sie die zeitgenössische Musik in Ihrer Arbeit als Dirigent?
Trotz des riesigen und geliebten Kernrepertoires habe ich mich immer auch um aktuelle Musik bemüht, so war mein erstes und ist nun auch mein letztes Konzert als Professor für Dirigieren und Leiter des Hochschulorchesters an der HfMT Köln beim Festival Acht Brücken.
Wie sind Sie zum Dirigieren gekommen?
Als Sohn eines Dirigenten war das praktisch unvermeidlich ...
Spielen Sie auch selbst ein Instrument?
Aktiv immer noch Klavier und Orgel, in meiner Jugend recht passabel Trompete und Cello.
Welche Musik fasziniert Sie beim Zuhören, die Sie nicht selbst dirigieren?
Renaissancemusik und Jazz.
Was kann Musik, was nicht?
In seiner Missa solemnis formuliert Beethoven die „Bitte um inneren und äußeren Frieden.“
Was sind Ihre musikalischen Inspirationen?
Die Suche nach den geheimen Botschaften zwischen den Notenlinien einer Partitur.
Denken Sie es macht einen Unterschied, wenn man die Musik, die Sie dirigieren, mit geschlossenen Augen hört, und wenn ja, welchen?
Wir leben in einer stark auf’s Visuelle setzenden Welt und auch ich sitze wachen Auges in Aufführungen, auch aus professionellem Interesse. Wie viele andere bemühe ich mich, als Dirigent im Dienst der Musik zu stehen. Wenn mir das nicht gelingt, hätte ich nichts dagegen, wenn jemand die Augen schließt.
Welche drei Dinge, die irgendetwas mit Musik zu tun haben, würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen?
Da es auf dieser Insel vermutlich kein Internet gibt, wohl doch ein Klavier, Notenpapier und Bleistift.
Orchester der Hochschule für Musik und Tanz Köln
Weitere Angebote
Ausstellung »Lichtbogen«
Die Musik Kaija Saariahos leuchtet, strahlt, glänzt und glitzert. Der Kosmos, das Firmament, die Landschaft und der Garten sind essentielle Themen im Oeuvre der finnischen Komponistin, die 1982 Paris zu ihrer neuen Heimat macht und sich der alten stets verbunden gefühlt hat.
Mit Fotos und Dokumenten zeichnet die Ausstellung wichtige Stationen der Komponistin nach. Und wie wird diese Musik notiert? Als Extra stellen wir zusätzlich zahlreiche ihrer Partituren zur Ansicht zur Verfügung.
Auf ein Schwätzchen mit Aline Sarah Müller & Alex Hren
Während den ganzen Tag über kostenlose Konzerte im Dreieck aus Kölner Philharmonie, Filmforum und WDR Funkhaus stattfinden, bietet sich die nur fünf Fußminuten entfernte Hafenschänke jederzeit dazu an, einzukehren, etwas zu trinken, im digitalen Programmheft des Tages zu stöbern, sich zu den Künstler:innen zu informieren und über das, was Sie gehört haben und noch hören wollen, ins Gespräch zu kommen. Mit uns, miteinander, mit anderen Besucher:innen, aber auch mit dem einen oder anderen Künstler. Etwa um 12:30 Uhr mit Aline Sarah Müller und Alex Hren, Komponist:innen der HfMT.
Applausdusche – Eine interaktive Installation von Manos Tsangaris
Treten Sie unter das Vordach der Kölner Philharmonie und einen Moment lang kommt von oben tosender Applaus aus zwei kleinen Lautsprechern. Dazu geht ein Scheinwerfer an, um das Gefühl zu intensivieren, sich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu befinden. Gönnen Sie sich die Applausdusche als eine kleine Stärkung für zwischendurch!
Mit Fotos und Dokumenten zeichnet die Ausstellung wichtige Stationen der Komponistin nach. Und wie wird diese Musik notiert? Als Extra stellen wir zusätzlich zahlreiche ihrer Partituren zur Ansicht zur Verfügung.
Hinweise
Ein digitales Programmheft?
Erleben Sie die Konzerte beim Festival ACHT BRÜCKEN auf neue Art und Weise – interaktiv, multimedial und jederzeit zugänglich mit dem neuen digitalen Programmheft.
Schon mehrere Tage vor dem Konzert ist das digitale Programmheft kostenlos verfügbar und bietet Zusatzinformationen und multimediale Inhalte.
Für den Konzertabend liefert das digitale Programmheft die gewohnten Hintergrundinformationen zu den Mitwirkenden, Komponist:innen und Werken und gibt einen umfassenden Einblick in das Konzertprogramm.
Eine Stunde vor dem Konzert wechselt das Programmheft in den Konzertmodus: Multimediale Inhalte werden deaktiviert und die gesamte Darstellung abgedunkelt, um den Konzertgenuss nicht zu stören.
Zur Nutzung des Mobiltelefons
Im Saal ist der Zugang zum Internet eingeschränkt. Bitte laden Sie das digitale Programmheft vor dem Konzert. Ein WLAN-Zugang steht Ihnen dafür im Eingangsbereich des Foyers zur Verfügung.
Während des Konzertes bitten wir Sie, Ihr Mobiltelefon auf lautlos zu stellen und den Modus »Nicht stören« zu aktivieren. Lehnen Sie sich zurück und genießen Sie es, einmal nicht erreichbar zu sein.
Bild- und Tonaufnahmen
Wir bitten um Ihr Verständnis, dass Bild- und Tonaufnahmen aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet sind. Beim Schlussapplaus dürfen Sie zur Erinnerung und privaten Nutzung gern ohne Blitz fotografieren und Ihre Bilder auch auf Social-Media-Kanälen teilen, nicht aber filmen oder den Ton mitschneiden.
Editor
Träger
Kulturpartner des Festivals
Veranstalter:
ACHT BRÜCKEN in Kooperation mit Hochschule für Musik und Tanz Köln
Herausgeber:
ACHTBRÜCKEN GmbH
Bischofsgartenstraße 1, 50667 Köln
V.i.S.d.P.
Louwrens Langevoort,
Gesamtleiter und Geschäftsführer der ACHTBRÜCKEN GmbH und Intendant der Kölner Philharmonie
Sebastian Loelgen









