
Musik der Zeit – Mann Frau Einhorn Seen
WDR Sinfonieorchester | Christian Karlsen
10.05.2025
20:00
Einführungen
Audio-Einführung
Ein Einhorn in der Philharmonie
Sophie Emilie Beha im Gespräch mit Boglárka Pecze
Einführungen vor Ort
Mitwirkende
Mitwirkende
Programm
Programm
Kaija Saariaho 1952–2023
D’OM LE VRAI SENS (2010)
für Klarinette und Orchester
I. L’Ouïe
II. La Vue
III. L’Odorat
IV. Le Toucher
V. Le Goût
VI. A mon seul désir
Pause
Hèctor Parra *1976
Ich ersehne die Alpen / So entstehen die Seen (2022–25)
für Sopran, Sprecher, Elektronik und großes Orchester auf einen Text von Händl Klaus
Uraufführung
Die elektronischen Parts wurden beim GRAME in Lyon produziert mit Unterstützung von Max Bruckert.
Das Konzert wird vom WDR für den Hörfunk aufgezeichnet und kann am 3. Juni 2025 im Radio und anschließend für 30 Tage auf wdr3.de nachgehört werden.
Die Gesangstexte
Hèctor Parra
Ich ersehne die Alpen / So entstehen die Seen (2022–25)
für Sopran, Sprecher, Elektronik und großes Orchester auf einen Text von Händl Klaus
Am Fuß einer Landschaft mit Toten singt Olivia.
Bruno wandert und stolpert; er stößt auf einige Tote,
die er am Ende versenkt.
Olivia
Ich ersehne die Alpen mit ihrer geräumigen Kälte! Kein Wunder,
ich bin am Ersticken in meinen Federn unterm Dach, das in der Sonne glüht,
und weit und breit
kein Gipfel und kein Baum,
rein gar nichts schenkt mir seinen Schatten hier! Mir ist heiß von diesen heißen Federn,
und ich sterbe fast!
Ich ersehne die Alpen!
Ich ersehne die Alpen!
Bruno
Uppsala, ja höpperladada!
Jetzt bin ich mir gar nicht mehr sicher, wars ein Mensch, das?
Ja glatt ists einer und tot noch dazu,
und darum ist er leichenblaß und bitterkalt
wie diese Gletscher in der Früh,
er muß schon länger liegen,
vielleicht ist er erfroren,
weil er müde war.
Uj jeggerle,
da seh’ ich leider recht
und rüttel’ und schüttel’ und drühück’ ihn vergebens
mit aller Leibeskraft
und steh’ doch lieber auf,
kein Puls,
und nix geht mehr.
Was mußt du für ein lieber Mensch gewesen sein!
Die feinen Lippen verraten noch hier
einen gewissen Frohsinn,
der dein war und dich liebenswert machte
grad wie dein fröhlicher Herzschlag,
du Lieber, du.
Dein Haar ist lockig und schimmert auf dem reizvollen Eis,
und deine Arme sind noch immer stark,
du bist wohl viel gerudert und gekraxelt in der letzten Zeit?
aber dennoch warst du schließlich müd
und bist ins Eis gesunken,
oder kams allmählich über dich,
und erst heute hab‘ ich dich gefunden.
Ich bin erschrocken,
drum kann ich nicht weinen,
doch bald wird es kommen
und mich übermannen,
dann will ich durchs Tal der Tränen gehen
und ein Stück Wegs dir nachfließen
in was für ein Jenseits auch immer.
Aber du kannst mich ja gar nicht umarmen,
du bist ja starr vor Kälte,
und trotzdem glänzt dir die Stirn!
vom Schweiß vereist,
und drunter schlummern Blütenmeere blau
aus lauter kalten Veilchen um die tiefen Augen.
Toter, warte,
ich will sehen,
ob dir noch zu helfen ist,
mein unbekannter Freund.
Vielsagend schweigt er!
– Oh. Ich habe lang
nach einem echten Freund gesucht,
auf den ich mich verlassen kann,
und halte dich, wie du so still da liegst,
für meinen Freund,
mein Freund,
nicht wahr, du wehrst dich nicht,
weil du ja tot bist,
gut, du bist recht kühl,
denn du bist wie gesagt erfroren,
und noch liegst du auf Eis,
du wirkst mit deinen kühlen Zügen aber
unverdrossen friedlich auf mich ein,
Freund,
du beruhigst mich,
und ich schenke dir darum mein weiches Herz.
Ich bin noch außer Atem,
weil ich lang gewandert bin
und hier heroben an der dünnen Luft
um jeden Zug wie ein erschöpfter Taucher
ringen muß.
Olivia
Wie könnt’ es anders sein.
Ich will, was ich nicht habe.
Will in den Alpen sein!
Alpen, wo seid ihr,
bitte meldet euch bei mir,
ihr braven breiten Berge.
Denn was für ein weiches Gebirge
verheißen mir Freunde und Bilder,
die ich nicht vergessen kann.
Ihr sollt noch lang bei Kräften sein,
ich will euch ja besuchen!
Ich breche einmal auf und schlage meine Haken an der Wand mit ihrem
spröden Moos
und mit den ernsten Flechten überall.
Ich will euch näher kennenlernen!
So sieht meine Sehnsucht aus.
Ich mache mich gleich aus dem Staub: Ich will hinauf,
ich will zu euch,
ich bin auf euch gespannt,
ihr unbekannten Größen!
Höhen, die mich senkrecht halten,
da ich sie erklimmen soll!
Mir sausen schon die Ohren,
ich bin ganz aufgekratzt!
Ich kann mir nicht helfen,
es ist mir zu heiß,
ich habe großen Durst in dieser Trockenheit.
Bruno
Der Aufstieg hat mich angestrengt,
ich habe links und rechts im Kahlschlag kleine Tannen ausgeteilt,
ich forste nämlich auf,
das heißt, ich grabe mit den Jahren ganze Wälder ein
und sehe drin dann nach den Rehen und dem Auerhahn.
Soviel zu mir,
allein,
du rührst dich nicht,
und ich bin selber ganz gerührt,
mein zugeknöpfter Freund,
was dich nicht wundern soll,
du zuckst nicht mit der Wimper,
wenn ich dich an deinen steifen Ohren ziehen will,
um so tief durch deine lieben Augen auch in dich zu schauen,
daß ich sozusagen auf den zweiten Blick erkennen kann,
was dich denn im Innersten bewegt
und daher weiß, woran ich wirklich bin,
mein Guter,
gell?
Doch ich sehe nichts.
Die Augen sind verschluckt,
und es ist also wahr:
Tote schlafen fest.
Auch ich bin langsam müde,
so wie du,
und du liegst noch dazu entspannt herum
und scheinbar so verträumt,
daß auch ich am liebsten auf der Stelle und am Eis wie du
zugrundeginge, wenn ich könnte.
Doch die Lunge hält mich nach wie vor in Schuß,
und ich muß weiterleben.
Ich will dir aber nach wie vor
so nah wie möglich kommen
und dich wirklich immer näher
kennenlernen.
Ja, mir wird,
wenn ich in all dem Eis einmal auf einen Menschen stoße,
warm ums Herz,
das mittlerweile dir gehört
und ständig tapfer für dich schlägt!
Du bist die Ruhe selbst,
ich wirke ruhig auf dich ein,
und das beruht ja wiederum auf Gegenseitigkeit,
so soll es sein,
nicht wahr.
Du bist noch viel zu jung,
um mirnichts dirnichts zu verschwinden
auf Niewiedersehn.
Halt!
Ich greife ein!
Ich ziehe dich gesagt, getan voran
und berge dich,
mein müder Freund:
Ich lege dich ins Grab,
das schön im Schatten liegt.
Auch du bist ja so schön.
Es wachsen rote Rosen drauf,
die dann und wann von deinem Moder naschen werden wollen,
und so blühst du fort und klingst den Sommer über leuchtend aus,
wenn ich ein wenig schwärmen darf.
Es tut dir ja nicht weh, nicht wahr.
So schwärme ich für dich.
Olivia
Ich muß euch unbedingt erreichen! Alpen, ich ersehne euch!
Das ist mein ganzer Trost.
Ich breche einmal auf
und schlage meine Haken an der Wand. Einmal nimmt sie überhand,
und flugs bin ich verschwunden. Ich bin ja schwindelfrei
und fliege drum im Lot
zu meinem zarten Echo.
Bruno
Es war schrecklich, dich zu finden,
und nun ist es gut.
Was für ein Glück!
Ein Wahnsinn.
Schade, daß ich dich nicht kannte,
als du noch am Leben warst,
wir sind ja hier am Ende,
das ist klar.
Darf ich mich erneut so innig an dich drücken,
daß auch mich das Eis verklebt,
du Freund,
mein Toter,
daß ich festgefroren bin und wieder atemlos,
wie,
wenn ich sozusagen unvorsichtig träume,
wie man träumt aus Einsamkeit,
ich träume nämlich tief.
Ich bin an sich allein.
Ich will so sachte auf dich niedersinken
wie der dicke Schnee,
halt schwerer,
denn ich bin ein Mensch wie du und ich.
So halte ich dich lang bedeckt
und gleite in das Eis.
Sag’ mir, wie du heißt.
Nein, sei bloß, wie du bist, verschwiegen.
Mann ist Mann, und es ist nichts dahinter als das blanke Eis.
Ich müßte zwar um Hilfe schreien, doch ich komme nicht sehr weit.
Alles stellt sich taub;
ob du mich hörst, kann ich nicht sagen.
Deine kalten Tränen, die ich pflücken kann wie kleine Beeren, schmecken
streng,
mein Leichnam,
doch ich hoffe, daß ich dich, indem ich atme,
trösten kann:
und aus
und ein.
Ich bin ganz für dich da
und halte deinen Blick ins kalte Nichts.
Liegt es an mir?
Du sagst kein Wort.
Gib mir die Hand.
Dann gibt es kein Zurück.
Olivia
Hört ihr mich?
Ihr sagt ja nichts.
Bruno
(entdeckt den zweiten Leichnam)
Alarm, Alarm!
Ich bin begeistert!
Hallo, hier!
Hopp hopp, zu mir!
Olivia
Ich bin schon auf dem Sprung!
Es liegt so manches in der Luft.
Ich bin vor lauter Zärtlichkeit verschwitzt und außer Atem,
ich bin schon unterwegs
und völlig aufgewühlt.
Dem Aufstieg folgt die Rast,
wenn es nach meiner Sehnsucht geht!
Ich bin mit meiner schwachen Lunge
wie geschaffen für die dünne Luft,
wie sie da oben dauernd flieht,
auch ich will in der nächsten Zeit so gut wie beinah unerreichbar sein,
mit euch allein.
Bruno
Ich bin tief bewegt.
– Schau, mein Freund, noch so ein beinah aufgeweckter Kerl, der ganz gelöst
erleichtert treibt grad vor sich hin, tu dir nicht weh!
– Kann gut sein, daß er lebt. Doch ich kann mich aber täuschen.
– Gib dir einen letzten Ruck, dann bist du glücklich angekommen!
Wie man sich bettet, so liegt man und leidet, mitunter auf einmal befreit,
denn ich bin hier und gern bereit, auch dir zu helfen, Freund.
Ich bin ein Freund!
Mein Puls jagt heiß dahin.
Willkommen, und an Land, hurra!
Jetzt ist er da.
Grüß’ dich, Lieber.
Ich bin der Bruno.
Du siehst aber sportlich aus, du.
Gell, ich bin per du, und du, du bist perdu, chéri;
ein müder Scherz am Rande, aber nix für ungut! bitte,
flott heraus mit dir, du Schatz,
da – hab’ ich dich, und hab’ dich schon lieb!
Uff. Mann!
Ich bin überwältigt. Mir fällt alles in den Schoß.
Gerettet, und geliebt!
Was für ein stiller Blick. Ich bin jetzt selber still vor lauter Glück.
Und was für eine kalte Hand.
Was für ein Mensch.
Noch so ein Toter?
Ruhig Blut.
Es wird bald wärmer.
Komm zu mir, und dann zu dir.
Er streichelt mich ganz kalt.
Mann, ich will weinen!
Heiße Tränen kratzen am Eis.
Schau, wie auch die Sonne lacht!
Langsam aber sicher taut er auf, und ich bin ganz ergriffen.
Ist dir kalt?
Wie fühlst du dich?
Es wird schon wieder, glaub’ mir, laß dir Zeit.
Ja, ist ja gut, ist ja schon gut, mein Dicker.
Laß dich drücken, hm. Du.
Ja.
In meinen Armen schmilzt er dahin,
man sieht es ihm nicht an,
er wehrt sich aber nicht,
ich schwitze dazu,
wir schwimmen ein wenig,
Freudentränen, alles fließt!
Freunde, das Leben ist lebenswert!
Olivia
Seid mir nicht traurig,
Bruno
Schlag’ doch die Augen auf,
Olivia
ihr einsamen Gipfel,
Bruno
du kannst nicht ständig schlafen, oder bist du tot.
Olivia
ich bin in Gedanken bei euch!
Bruno
Gut, der Weg war weit, und er ist halt geschafft.
Olivia
Ich hänge inständig
wie Treibsand an euch! –
Bruno
(zum ersten Toten)
Und was ist mit dir, mein Alter?
Du sagst auch nichts mehr.
Wir gehören doch zusammen, oder nicht?
Tu nicht so.
Bist du verstimmt?
Ich liebe dich noch immer.
(zum zweiten Toten)
– Dich doch auch.
Jetzt ist es gut.
Hörst du nicht, hör’ auf.
Wach’ bitte auf.
Nimm einen Schluck.
Langsam.
Immer mit der Ruhe.
Prost.
Ich auch.
Brrh.
Der weckt ja Tote auf!
Hicks.
Da tut sich nichts, obwohl ich voller Hoffnung bin.
Wo tut es dir denn weh?
Du mußt es mir schon sagen.
Ich bin ja für dich da.
Wie hilfsbereit ich bin!
Soll ich dich verbinden?
Mir ist aber bang.
Du bist kaum zu hören.
Gibt es eine Blutung, die ich stillen kann?
Brauchst du eine Spritze?
Du mußt unbedingt zum Arzt.
Ich kann dir nicht so gründlich helfen, wie ich wollte, wenn ich könnte.
Soll ich dich beatmen?
Atme ruhig weiter.
Doch dein Atem geht sehr langsam.
Geht er noch?
Ich spüre nichts,
wie auch mein Herz, so fest an dich gepreßt, jetzt immer leiser schlägt,
und ich erfriere noch, wenn das so weitergeht.
Olivia
Ich kann euch nicht vergessen. Ich will euch aber nicht belasten.
Habt ihr mich verstanden?
Bin ich schon zu weit gegangen? Laßt es einmal krachen!
Nichts da.
Na?
Bruno
Wie soll ich mich verhalten?
Olivia
Was habt ihr denn?
Ihr seid so still.
Bin ich zu laut?
Das fängt ja gut an.
Seht mich an und klärt mich auf! Versteht ihr mich?
Ihr wirkt so kühl.
Bruno
Ich verzweifle bald!
Dann wird mir wieder heiß, mein kleiner Sonnenschein,
ich weiß nicht, ich umarme dich so gern.
Olivia
Das Gegenteil ist hier der Fall, ich schmelze zart dahin.
Drum bin ich gleich bei euch! mit meinen langen Armen,
die schon lang am Ende sind wie ich an sich ja auch.
Bruno
Er atmet nicht.
Ein schwerer Fall.
Es ist hier überhaupt ganz still.
Was da knackst, sind deine Knochen oder drin das Eis.
Ich bin besorgt.
Kein Atem, du bist tot.
Mein stiller Liebling.
Keine Angst, es ist vorbei.
Alle Menschen sind sterblich!
Lieb und dankbar schaust du trotzdem drein, mein toter Freund,
ihr seid ja beide tot und lieb!
Olivia
Was hält mich hier? Doch ihr seid da.
Das ist ein erster Schritt, macht mit!
Bruno
Der Tod hat sicher seinen Reiz!
Ziehst du dich nicht aus?
Darf ich, wie ich bin, so zärtlich sein, daß dir ganz anders wird?
in diesem freundschaftlich schmelzenden Eis.
Wärmen wir einander, kalter Freund.
Das Lächeln einer Sommernacht huscht eigensinnig
immer über diese dünnen Lippen.
Zieht euch künftig wärmer an!
Ihr schlaft erhitzt im Freien ein und seid dann dran erfroren!
Ich bin euch nicht böse, ihr seid ja gestorben.
Seht ihr, ich mache ein ernstes Gesicht.
Ich zum Beispiel gehe ohne meinen Schirm gar nicht aus dem Haus!
Oh. Ich habe euch verloren, doch ihr seid noch da.
Herz, was willst du mehr!
Ich will euch, weil ihr lieb seid, tief begraben!
Olivia
Ich werde in der Höhe sicher leichter sein!
Ihr seid sehr schwer und auch allein.
Mir kommen die Tränen.
Es ist ja zum Weinen!
Aber in dieser gewaltigen Hitze behalte ich meine Tränen für mich.
Dabei bin ich erschöpft!
Wir wollen Freunde sein.
Bloß keine falsche Scheu.
Ihr rührt mich, wie ihr vor mir liegt und schweigt, weil ihr erledigt seid,
und ihr beruhigt mich!
Ihr seid schon länger da und wißt, worum es geht, nicht wahr.
Ich bin zwar zart und schwitze zwar, zugleich kühlt mich der Schweiß
wie euch das blanke Eis,
das mit der Zeit verhalten in die Täler fließt und ruhig immer auf mich
zu mich auch erreicht.
Bruno
Wie sie schlafen.
Träume ich?
Freunde, seht ihr, was ich sehe?
Schaut einmal, ein Liebespaar, nicht wahr, wenn mich nicht alles täuscht,
und noch dazu noch ziemlich frisch,
mitten unter uns!
Wacht auf,
was sagt ihr jetzt?
Olivia
Öffnet mir die Tür und tretet selber ein! Herein.
Ihr Ferner!
Kalte Alpen.
Enttäuscht mich nicht!
Ich liebe euch.
Seid ruhig still.
Versprochen ist versprochen. Gut!
Ich hoffe, daß es also schneit. Ich brauche euch,
begreift ihr mich,
die leeren Hänge,
drauf den Schnee.
Fallt mir einfach in den Rücken. Hopp!
Bruno
(zum toten Paar)
Freut mich!
Bruno.
Angenehm!
Guten Abend!
Da, ein Sonnenuntergang!
Störe ich? Ich will nicht stören.
Doch ich möchte euch verwöhnen, wenn ich bitte darf;
ist euch nicht kalt?
Sie schlafen.
Ich bin aber wach.
Doch es dunkelt aber. Drum in meine Arme und hinab!
– Kein Hauch von Widerstand.
Ich bin nicht einmal überrascht, ich rechne hier heroben immer mit dem Schlimmsten.
Ja. Ein Ruhepuls von Null.
Kein Wunder, es ist kalt.
– Ich will euch nicht erschrecken,
ich bin aber am Verzweifeln!
weil es zum Verzweifeln ist!
Sie sind noch warm und kühlen aus.
Es ist sehr traurig.
Ich bins auch:
auch ihr seid also tot.
Mir bricht das Herz,
könnt ihr es hören?
Gute Frage.
Hoffen wirs.
Auch die Murmeltiere schlafen wie ein Stein.
Seid ruhig still.
Ich lege mich für einen allerletzten Augenblick dazu,
wenn ihr nichts dagegen habt.
Habt ihr mir gar nichts zu sagen?
Na, da ist nicht viel zu hören.
Oder ist es die Umgebung, die euch hingerissen hat;
das meiste ist aus Eis.
Olivia
Nur zu.
Liegt es an mir?
Ich kann mich doch auf euch verlassen? Ihr seid nicht allein!
Hier bin ich verloren.
Ihr fehlt mir,
ich kann mir nicht helfen.
Bruno
Ich bin verliebt, und fassungslos vor Glück im Unglück muß ich leise schluchzen!
Ich gebe euch nicht auf wie einen Brief, der noch nicht abgestempelt worden ist.
Es ist ja nie zu spät!
Ihr seid ja nicht allein.
Der Mond geht auf.
Verschwinden wir. Dann sehen wir schon weiter.
Unten ist es menschlicher, das könnt ihr mir schon glauben.
– Was?
– Seid einmal still.
– Na bitte. Nichts. Ich habe mich getäuscht.
– Mir zieht es hier zu stark.
Schon bricht die ganze Dunkelheit herein. Dann Gute Nacht!
Steht bitte auf!
Ihr seid halt schwach. Strengt euch halt an! Ihr seid schon alt genug.
Auf die Beine, folgt mir, Freunde! Einverstanden?
Olivia
Ich will mich in die Schluchten stürzen auf die satten kühlen Matten
mitten im Geröll!
Dabei wirkt ihr verschlossen.
Doch wir müssen offen sein, wir müssen miteinander reden!
Ich bin an sich anschmiegsam; ich bin ja am Boden zerstört.
Bruno
Sagt einmal. Was wollt ihr hier denn noch?
Unten grünt es.
Kommt, wir gehen. Können wir?
Und hoch das Bein.
Wer sagts denn.
Alles klar?
Kein Wort.
Wie darf ich das verstehn;
worauf wollt ihr hinaus?
Wir wollen doch zurück.
Was habt ihr denn?
Seid nicht so faul!
Was soll ich dazu sagen.
Wie die Toten krachen, wenn ich sie bewegen will!
Kommt schon, reißt euch jetzt zusammen.
Mensch, das ist doch nicht so schwer!
Muß ich mich wiederholen?
Soll ich euch noch tragen?
Ja, so sieht es mittlerweile aus.
Meinetwegen auch noch das noch!
Wenn uns das dann weiterbringt.
Also gut, da bin ich wieder!
(er schultert alle)
Oh, so weich, mein Lieber.
Leider keine Zeit für Zärtlichkeiten; später!
Olivia
Laßt uns reden. Hört mir zu.
Es ist dringend! Liebe Alpen.
Schaut mir ruhig in die Augen. Ich bin müde.
Ich verschwinde.
Ihr seid kühl.
Ja. Seid kühl.
Ich halte still.
Also, überflutet mich. So wird das aber nichts. Es tut mir leid.
Bruno
Einer geht noch, ganz auf mich.
Halt’ dich fest.
Gut machst du das.
Womit hab’ ich das verdient!
– Augenblick.
Mein Liebespaar.
Seid ihr soweit?
Ich bin bereit.
Ich bin ganz aufgeregt!
Gleich haben wirs.
Ich muß mich sammeln,
und dann geht es los.
– Wir fangen an!
Was ist denn los?
Ich tue, was ich kann!
Ich strenge mich zwar an.
Ich kann mich aber nicht mehr rühren.
Puh.
So komme ich zu allem Eis doch noch ins Schwitzen!
Na, ich hab’s nicht leicht.
Macht euch nicht schwerer, als ihr seid!
Unten grünt es, liebe Freunde,
Grab an Grab, gleichmäßig kühl.
– Ihr weicht mir aus.
Weicht mir nicht aus!
Ich habe keinen Druck mehr in der Hand.
Ich fürchte, das geht schief!
Fallt mir nicht auseinander.
Freundschaft, Freunde!
Hiergeblieben!
Das war knapp.
Wiedereinmal Glück gehabt!
Olivia
Wo bleibt ihr denn?
Ihr Lieben.
Was ist los?
Ihr wandert ja so langsam, daß ihr nicht zu hören seid,
oder steht ihr einfach still.
Ich bin auch noch hier.
Wo seid ihr, und was wird aus mir? Muß ich mich wiederholen?
Ich bin schon auf dem Sprung,
es liegt so manches in der Luft.
Ich wüßte gern,
woran ich bin.
Hallo? Hallo!
Ich bin besorgt.
Ich höre euch nicht mehr. Seid ihr noch da?
Ihr Alpen. Ja?
Vielleicht schluckt euch der Schnee. Man weiß ja nie.
Ich kann mich aber täuschen.
Bruno
Noch einmal mit Gefühl.
Auf los geht’s los, und los!
Schon wieder nichts!
Was nicht ist, das kann noch werden.
Ich kann warten.
Also.
Ich warte.
Unter uns, so wird das nichts.
Tja.
Das wars dann.
Was sagt ihr?
Ja, die Menschen sind hier kühl.
Langsam wird es eng für mich, Leute.
Sollen die Toten die Toten begraben,
oder der Luchs,
oder der Fuchs!
Entschuldigung.
Die Kälte macht mich kalt.
Ihr wißt schon, was ich meine.
’tschi!
Mich freuts nicht mehr.
Ich kann mir nicht helfen,
ihr seid mir zu schwer.
Versteht mich nicht falsch.
Laßt mich hinaus.
(er löst sich und tritt beiseit)
Ich bin einfach überfordert!
Es muß doch einen Ausweg geben.
Doch wir sind bereits im Freien.
Entschuldigt mich kurz,
ich ringe mit mir.
Schließlich und endlich geht es hier um Leben und Tod.
Was für eine schroffe Landschaft.
So ein trauriger Verein!
Was wird aus mir, wo bleibe ich?
Mich fragt natürlich keiner!
Was seid ihr für ein müder Haufen,
und warum.
Ihr habt ja nichts zu tun.
Ihr liegt ja bloß herum!
Mir kommen die Tränen.
Es ist ja zum Weinen!
Was wollt ihr von mir?
Laßt mich in Ruhe!
Die Toten sind tot.
Es tut mir ja leid!
Was soll man da machen.
Das kommt halt davon.
Wie geht es weiter?
Ich persönlich bin am Ende.
Lassen wirs!
Euch ist wirklich nicht zu helfen.
Bleibt ihr lieber hier?
Ihr könnt auch untertauchen.
Wie ihr wollt.
Seht ihr den See?
Was für ein langer Strand hinab.
Ahoi!
Habt keine Angst.
Ihr habt es an sich hinter euch.
Das Eis ist ja geschmolzen.
Das Wasser ist ja windelweich.
Ihr sagt ja nichts.
Einsame Menschen.
Macht es gut.
Ich verlasse mich auf euch.
(er nimmt den ersten Leichnam und schubst ihn hinab)
– Mein braver Liebling.
Fremder Freund.
Noch einen Schubs?
Good-bye.
(er nimmt den zweiten Leichnam und läßt ihn folgen)
– Ach.
Auch du.
Ade!
(er hört ihn auftreffen)
– Au, das tut weh.
Ein Jammer.
(zum Mann des Liebespaars)
Guten Rutsch, und tschüß!
Man sieht sich.
(er wirft ihn hinab)
Da.
Da greife ich bereits ins Leere.
(er läßt die Frau folgen)
– Das klang ganz nach Abschied.
Ich bin ganz erschöpft.
Wolken ziehen vorüber.
Doch der Wind kann nicht lesen.
Ihr fehlt mir.
Ich will euch vergessen!
Doch ich kann mich noch erinnern.
Bin schon still!
Es ist schon spät.
Lebt alle wohl!
Die Dohlen holen sich den Rest.
Zurück zu mir,
ich muß zurück.
Mich friert.
Ist das ein Leben.
Morgen
geht die Sonne
wieder auf.
Olivia
Soll auch ich jetzt leise sein?
Es ächzt in den Gelenken,
weil ich voller Sehnsucht bin.
Ich bin wohl eine Älplerin.
Aber meine Knochen liegen schon im Sarg,
darum will ich Abschied nehmen.
Es erleichtert mich natürlich,
mein Leben aus der Hand zu geben
und all die Gegenstände.
Ende
Zu den Werken
Magische Klänge
Kaija Saariaho tauchte in ihrem Schaffen stets in die tiefe »Natur des Klangs« ein, gestützt von einem analytisch-mikroskopischen Zugriff auf das Tonmaterial. Dieser Ansatz reflektiert auch ihre Herkunft und geistige Heimat: die berauschende finnische Natur und die französische Musik von den »Impressionisten« Claude Debussy und Maurice Ravel bis zur akribischen Klangforschung in der spektralen Musik. Dazu kommt, dass eine familiär geprägte Neigung zur Malerei sie nie los ließ und sich indirekt in ihrem Klangfarben-Reichtum niederschlug.
Ihr Klarinettenkonzert D’om le vrai sens (2010) ist von mittelalterlichen Teppichen inspiriert, auf denen eine Frau und ein Einhorn abgebildet sind – wobei die Klarinette für Saariaho das Einhorn symbolisiert. Aufgefallen sind ihr die Teppiche im Musée national du Moyen Age in Paris bereits im Zuge ihrer Recherchen für ihre erste Oper L’Amour de loin (2000). Aber erst die hervorgehobene Rolle der Klarinette in ihrer zweiten Oper Adriana Mater (2006) motivierten sie zu D’om le vrai sens.
Die in den Satzüberschriften benannten fünf Sinne fasste sie mit bizarrer Klangfantasie in markante Ausdruckssphären: von schrillen Rufen der Klarinette in L’Ouie (Hören) über das wundersame Ausloten einer akustischen Landschaft in La Vue (Die Aussicht) bis zu scharfen Reibungen, Tremolos und Trillern in Le Gout (Der Geschmack). All diese Facetten sinnlicher Wahrnehmung münden im finalen sechsten Teil – der sechste Sinn, der dem seelischen Empfinden oder der Liebe gilt – in magische Klänge, die sich subtil in asketischer Strenge auflösen.
»Abbild der menschlichen Seele«
Beschwört Kaija Saariahos D’om le vrai sens auch utopische Dimensionen der Wahrnehmung, so setzt Héctor Parras Ich ersehne die Alpen / So entstehen die Seen (2022–25) eher eine Endzeitvision dagegen. Der Text dazu stammt von dem österreichischen Schriftsteller, Schauspieler und Regisseur Händl Klaus (*1969). Er schlug Parra vor, auf der Grundlage seines Stücks Ich ersehne die Alpen ein neues Werk zu komponieren, das die Worte in einem völlig anderen Licht erscheinen lässt.
Die Protagonistin Olivia sehnt sich danach, mit den hohen Bergen zu verschmelzen und der stechenden Hitze in ihrem engen Zimmer zu entkommen. Doch ihre Sehnsucht nach Felsen und Gletschern ist vor allem eine Todessehnsucht, die sich darin äußert, sich in einen rauen Gebirgsstein verwandeln zu wollen. Dieses Bild ist, so Héctor Parra, »auch eine Metapher dafür, dass wir selbst ein untrennbarer Teil der Natur sind, die wir misshandeln und irreparabel schädigen. Olivias Tragödie und Verzweiflung sind ein Spiegelbild jener Situation, in der wir uns selbst befinden, da wir den Klimawandel nicht rechtzeitig gestoppt haben.«
Parra verarbeitete in dem Werk auch seine eigene Natursehnsucht, die er trotz seiner Identität als Großstadtmensch – mit Stationen in Barcelona, Paris oder Rom – verspürt und die noch von Kindheitserfahrungen in den Pyrenäen und Alpen herrührt. Er schuf mit Ich ersehne die Alpen / So entstehen die großen Seen eine Musik von herber lyrischer Intensität, die den harten Stein und die leuchtenden Flechten, die auf ihm wachsen, gleichermaßen in Klang transformiert. Und die Solostimme schwebt, wie Parra bemerkt, »über der Landschaft wie ein großer Vogel, vielleicht sogar als ein Abbild der menschlichen Seele«. Spätromantische Einflüsse von Gustav Mahler, Anton Bruckner und Richard Strauss sind unterschwellig präsent, gehen aber ebenso nahtlos in dem Werk auf wie avancierte elektronische Klänge, die auf Aufnahmen originaler Naturklänge von Steinen, Gletschern, Eis und Wind basieren. Den komplexen Klangmischungen gegenüber steht der Mensch, steht Olivia, die in ihrem beklemmenden »Lied von der Erde« die Stimme erhebt und ihre Tragik auf intimste Weise vermittelt.
Egbert Hiller
Fragen an ...
Wir haben den Künstlerinnen und Künstlern acht Fragen gestellt, deren Beantwortung ein persönliches Bild darüber ergeben sollte, welche Aspekte ihre musikalische Arbeit beeinflussen. Es blieb ihnen freigestellt, welche und wie viele der Fragen sie in ihrer eigenen oder einer ihnen vertrauten Sprache beantworten.
»An infinite rapidity that takes our dreams beyond our expectations.«
Hèctor Parra | Komponist

Hèctor Parra ©Amandine Lauriol
What musical associations come to mind when you think of the festival motto »Light«?
An infinite rapidity that takes our dreams beyond our expectations. A state of fortunate lightness, devoid of matter and full of lucid energy.
What role does contemporary music play in your compositional work?
A whole network, a fabric in which to resonate freely.
What inspired you to become a composer?
To see that I could build a space, a world, by patiently weaving every day. And more specifically, thinking of my beginnings as a composer in the 90s, the work of a late Cézanne in front of montagne St Victoire, for example: catalysing in the most honest and sensitive way the light vibrations that envelop him and expressing them in the new world-space that his canvases open up.
Are you playing any musical instruments?
Yes, I am a pianist.
What kind of music fascinates you as a listener, even though you don’t compose it yourself?
Lately, I have been fascinated by the traditional music of several ethnic groups in southern Democratic Republic of the Congo and northern Zambia and Angola, such as the Luba, the Chokwe, the Luluwa and the Kaonde people.
What do you believe music can achieve, and what not?
Music can achieve so many things, such as sensitising people to unsuspected degrees, developing aesthetic sense, group empathy, etc. It can bring extreme happiness to both performers and listeners, as well as socially integrating disadvantaged or excluded groups. But unfortunately, history shows us that it cannot prevent stupid genocidal autocrats from executing their sinister plans. In any case, it would be unfair to ask of music that which is not within its competence.
Who or what are your main musical inspirations?
I have had different ones at different times. Apart from so much music by living composers and from the second half of the 20th century that I admire and that has influenced me so much, such as Ligeti, Harvey, Ferneyhough, and so many others, in my early days as a musician it was the blues and rock of the 1950s, nonstop. Then, as a pianist, the textures, lyricism, and harmonic color of Chopin and Ravel, the pianistic vibrations of Scriabin, and the tectonics of Rachmaninoff. Then, undoubtedly, Mahler and Berg, in their architectural polyphony of unparalleled orchestral lyricism. When I began composing operas 15–20 years ago, it was Mozart. And Wagner. For Les Bienveillantes, Bach. For my latest opera, Justice, the traditional music of Central Africa. For my penultimate one, Orgia after Pasolini, living in Rome and Puccini’s Tosca non-stop were my primary sources of inspiration apart from Pasolini’s text, of course.
Do you think there is a difference in how people experience your music when they listen with their eyes closed? If so, how does it change?
I don’t know, it depends on each person, on each piece, on the time and the place where you listen to it, etc.
What three music-related things would you take with you to a desert island?
4 things, please! A piano, a 15 cm ruler, a Rotring unipin 0.3 and ruled paper with staves. But perhaps a better option would be to forget about the music and take a survival kit ...
»Auf jeden Fall Alphorn! Niemand würde es von mir erwarten und ich würde es lieben, alle zu schockieren.«
Boglárka Pecze | Klarinette

Boglárka Pecze ©Wolfgang Köhler
Wie bist du zu deinem Instrument gekommen?
Eine pragmatische Geschichte. Mein Vater spielt hobbymäßig Klarinette und sicher war sicher: bloß nicht zu viel Investition am Anfang. Eine Klarinette war ja schon zu Hause vorhanden, man musste nichts extra kaufen.
Gibt es ein Instrument, das du gerne einmal spielen würdest, aber noch nie versucht hast?
Auf jeden Fall Alphorn! Niemand würde es von mir erwarten und ich würde es lieben, alle zu schockieren.
Welche Musik fasziniert dich beim Zuhören, die du nicht selbst spielst?
Oh, davon gibt es viele. Zum Beispiel Jazz. Ich komme aus einer Jazz-Musiker:innen-Familie, halte mich bisher aber fern von der Improvisation. Ob das noch kommt? Oder Tango, die musikalische Spannung fasziniert mich.
Was sind deine musikalischen Inspirationen?
Grundsätzlich Interpretationen, die die These »weniger ist mehr« vertreten.
Immer noch liebe ich Kammermusik, manchmal höre ich es sogar, aber meistens lese ich nur die Partituren.
Excel-Tabellen. Sie haben ein eigenes Leben. Je komplizierter, desto besser.
Gibt es etwas, das du deinem Instrument sagen würdest, wenn du könntest?
Klar. Wenn ich in der Woche morgens um 7.00 Uhr anfange zu üben, dann solltest du dich bitte, meine liebe Klarinette anstrengen und einfach nur super klingen. Nicht nur du bist müde, ich auch.
Welche drei Dinge, die irgendetwas mit Musik zu tun haben, würdest du auf eine einsame Insel mitnehmen?
Kopfhörer, Ersatzkopfhörer, Handy
»Diese Freiheit, dieses Spiel im Moment, das man sich in der klassischen Musik zu selten gönnt …«
Lavinia Dames | Sopran

Lavinia Dames ©Klaudia Taday
Welche musikalische Assoziation hast du, wenn du das Festivalmotto »Licht« hörst?
Haydns Schöpfung, »Es werde Licht«, war meine erste Assoziation. Ansonsten: Dur, Wärme, Fluss, Energie. Etwas, das sich ausbreitet, das erhellt, das sichtbar macht – innen wie außen.
Welche Rolle spielt für dich die zeitgenössische Musik in deiner musikalischen Arbeit?
Zeitgenössische Musik eröffnet mir den Weg zu spannenden/anderen Rollen – jenseits des typischen lyrischen »Prinzessinnen«-Sopran-Fachs. Sie lässt mich neue Grenzen austesten, was ich liebe. Insgesamt schenkt sie eine unglaubliche Freiheit: neue Farben, Offenheit, Weite – ohne die üblichen Hörerwartungen. Eine neue Erfahrung, mich als Künstlerin wirklich frei entfalten zu können.
Wie bist du zu deinem Instrument gekommen?
Ich habe schon immer geliebt zu singen und Musik zu machen. Mit vier Jahren war ich zum ersten Mal in der Oper – Mozarts Zauberflöte. Da war es um mich geschehen. Schon damals habe ich beschlossen, dass ich einmal Königin der Nacht werden möchte, wenn ich groß bin. Das hat nicht ganz geklappt, aber die Faszination für Theater und Musik hat mich mein ganzes Leben begleitet und bestimmt.
Gibt es ein Instrument, das du gerne einmal spielen würdest, aber noch nie versucht hast?
Ich habe neben dem Singen Klavier und Geige gelernt und liebe es, wenn sich die Gelegenheit ergibt, verschiedene Instrumente auszuprobieren. Mein Freundeskreis war aber wohl eher streicher- und holzbläserlastig. Also vielleicht mal ein Blechblasinstrument – die Tuba? So als Kontrast zum Sopran.
Welche Musik fasziniert dich beim Zuhören, die du nicht selbst spielst?
Ich höre wirklich quer durch die Bank Musik. Wenn ich mich entscheiden müsste, dann ist es Jazz – besonders Improvisationen auf hohem Niveau – die mich am meisten faszinieren. Diese Freiheit, dieses Spiel im Moment, das man sich in der klassischen Musik zu selten gönnt – oder nur bis zu einem gewissen Grad. Aber wenn es gelingt, wirklich ganz im Hier und Jetzt inspiriert und offen aufeinander zu reagieren, dann ist das zutiefst beglückend.
Was kann Musik, was nicht?
Musik kann alles ausdrücken, wofür Worte nicht reichen – oder manchmal auch zu viel wären. Sie verbindet uns miteinander, kann trösten, aufrütteln, erinnern. Sie ist eines der wenigen Dinge in unserer Gesellschaft, bei dem man still wird und wahrhaftig mit seinem Inneren und seinen Gefühlen in Kontakt kommt. Aber sie selbst kann die Welt wohl nicht retten – uns aber vielleicht für einen Moment glauben machen, dass es möglich wäre.
Was sind deine musikalischen Inspirationen?
Ich lasse mich gerne von Stimmen inspirieren – nicht nur im musikalischen Sinn. Geschichten, Texte, Klangfarben in der Natur, besonders Vögel, wenn sie ganz frei loszwitschern, ohne Angst, einfach aus reiner Freude. Vor allem aber Menschen, die etwas mit vollem Herzen tun, interessiert und offen sind. Und natürlich von anderen Musiker*innen, die ihr Instrument oder ihre Stimme mit solcher Klarheit und Tiefe zum Klingen bringen, dass es fast weh tut – auf die schönste Weise.
Gibt es etwas, das du deinem Instrument sagen würdest, wenn du könntest?
Danke, dass du da bist – auch an den Tagen, an denen ich wahnsinnig ungeduldig mit dir bin. Danke, dass du mir das verzeihst, und dafür, dass ich durch dich und mit dir so viel erleben darf, du mir mein Innerstes spiegelst und mich meine Grenzen austesten lässt. Danke für deine Kraft und deine Zerbrechlichkeit. Manchmal wünschte ich, du wärst ein bisschen berechenbarer und ich könnte dich perfekt kontrollieren – aber vielleicht wärst du dann nicht mehr du. Oder ich nicht mehr ich selbst.
Denkst du, es macht einen Unterschied, wenn man die Musik, die du spielst, mit geschlossenen Augen hört, und wenn ja, welchen?
Auf jeden Fall. Wenn man die Augen schließt, richtet sich die Aufmerksamkeit nach innen. Man sieht nicht mehr – man hört. Intensiver, aufmerksamer, unmittelbarer. Der Raum um einen herum verändert sich, der Klang kann sich ganz anders entfalten – und man lässt es einfach wirken.
Welche drei Dinge, die irgendetwas mit Musik zu tun haben, würdest du auf eine einsame Insel mitnehmen?
Meine Stimme habe ich ja zum Glück immer dabei.
Dazu ein Klavier, zum Begleiten.
Und ein solarbetriebenes iPad mit der ganzen Musikliteratur – zum Lesen, Träumen, Spielen, Hören, Forschen …
»Als Schauspieler bin ich mein Instrument.«
Thomas Loibl | Schauspieler
Welche musikalische Assoziation hast du, wenn du das Festivalmotto »Licht« hörst?
Musikalisch denke ich tatsächlich, ohne hier angeben zu wollen ;) , wenn ich das Stichwort »Licht« höre, direkt an Stockhausen und seinem Zyklus LICHT. Ich hatte in meiner Schauspielschulzeit einzelne Teile daraus kennengelernt und fand es irre cool mir das immer und immer wieder anzuhören. Der Titel allein schon ist natürlich für einen musikalischen Zyklus sehr aufgeladen und provozierend.
Welche Rolle spielt für dich die zeitgenössische Musik in deiner musikalischen Arbeit?
Meine musikalische Arbeit ist in der Regel immer begleitend und meist lesend sprechend darstellend. Überwiegend lesend zu Kompositionen und Komponisten aus dem klassischen Repertoire. Manchmal jedoch auch mit und zu zeitgenössischen Kompositionen. Diese Arbeiten sind dann oft anspruchsvoller, aber auch als Auseinandersetzung mit der uns umgebenden Welt unmittelbarer.
Wie bist du zu deinem Instrument gekommen?
Als Schauspieler bin ich mein Instrument. Zum Schauspiel dann schon in der Kindheit so mit knapp 8 Jahren. Bei uns auf dem Dorf.
Gibt es ein Instrument, das du gerne einmal spielen würdest, aber noch nie versucht hast?
Ich würde gerne Klavier spielen wollen.
Welche Musik fasziniert dich beim Zuhören, die du nicht selbst spielst?
Da ist ja nun das ganze Spektrum möglich bei mir und so ist es auch – je nach aktueller Beschäftigung mit Rollen und Texten reicht es von Elektro über Pop zu Jazz und Moderner Komposition zu klassischem Repertoire hin zu early Synthesizer und Oper und Weltmusik und Liedgut.
Was kann Musik, was nicht?
Musik ist so direkt und reiner als das darstellende Spiel.
Aber wenn die menschliche Stimme und dann auch die Sprache hinzukommt wird es komplexer und differenzierter.
Gibt es etwas, das du deinem Instrument sagen würdest, wenn du könntest?
Oh Gott - diese Reflexion und Selbstbeobachtung und inneres Gespräch mit unserem Instrument findet ja bei uns Schauspieleren ohnehin permanent statt.
Denkst du es macht einen Unterschied, wenn dein Publikum die Augen schließt, und wenn ja, welchen?
Also bei Lesungen zum Beispiel finde ich es nachvollziehbar wenn die Leute die Augen schließen, um sich der Stimme und dem gesprochenen Wort fokussierter hinzuwenden.
Da gibt es ja auch nicht soviel zu sehen.
Obwohl ich oft den Augenkontakt suche und auch ein direktes Ansprechen versuche.
Ähnlich vielleicht in einem Konzert.
Es sei denn man schließt die Augen und gibt sich in dieser angenehmen Umgebung einfach einer wohligen Müdigkeit hin. …
Welche drei Dinge, die irgendetwas mit Musik zu tun haben, würdest du auf eine einsame Insel mitnehmen?
Auf so einer Insel ist sowieso alles Musik.
»It’s an remarkable constant in human experience that allows us to connect to our ancestors and history.«
Christian Karlsen | Dirigent

Christian Karlsen ©Karl Gabor
What role does contemporary music play in your musical work?
Working with composers
What inspired you to become a conductor?
All the incredible teachers I had as a kid.
Is there an instrument you’ve always wanted to play but haven’t yet tried?
Hmm, maybe the Ondes Martenot, and … Paganini’s Guarneri del Gesù »Il Cannone«. (Side story here, the wonderful violinsts Dina Schneidermann and Emil Kamilarov, who I had lessons with in my teens, manage to bring this unique instrument to Sweden and performed the first public concerts on it since Paganini’s death – an unforgettable experience. There were also about the same amount of police officers on stage as members in the orchestra.)
What do you believe music can achieve, and what not?
So many things – not only the joint concentration, silence and reflection that connects us to maybe a thousand people in the hall. When we listen to say the Eroica Symphony or even a work from the 1960s, it allows us to connect with our previous generations of listeners, experiencing the same music, maybe the same physical impact, going through the same emotional journey and reflecting on the same abstractions. It’s a remarkable constant in human experience that allows us to connect to our ancestors and history.
Who or what are your main musical inspirations?
A couple of years ago, I would have made a long list of my teachers and mentors, some heroes of the past, composers and authors. But nowadays, I feel most inspired by the orchestras, musicians and composers I work with.
What three music-related things would you take with you to a desert island?
An orchestra, a large music library, and I suppose, music stands.
WDR Sinfonieorchester
Das WDR Sinfonieorchester

WDR Sinfonieorchester ©WDR/Peter Adamik
Das WDR Sinfonieorchester zählt zu den herausragenden Orchestern Deutschlands. Beheimatet in Köln, prögt es auf besondere Weise die Musiklandschaft Nordrhein-Westfalens: vor allem durch seine Konzert-Reihen in der Kölner Philharmonie sowie durch Partnerschaften mit den großen Konzerthäusern und Festivals der Region.
Regelmäßig ist das WDR Sinfonieorchester in den Musikmetropolen Deutschlands zu erleben. Es gibt Gastspiele bei renommierten Festivals wie den BBC Proms, dem George Enescu Festival, der Biennale Venedig und dem Schleswig-Holstein Musik Festival und geht auf Tournee durch Asien und Europa. Seit 2019 steht das Ensemble unter der Leitung von Cristian Măcelaru, der sich in eine lange Tradition bedeutender Chefdirigenten einreiht, darunter Christoph von Dohnanyi, Semyon Bychkov und Jukka-Pekka Saraste. Designierte Chefdirigentin ab 2026/27 ist die Französin Marie Jacquot.
Seit seiner Gründung 1947 hat das WDR Sinfonieorchester mit bedeutenden Uraufführungen Musikgeschichte geschrieben, darunter Werke von Igor Strawinsky, Hans Werner Henze, Karlheinz Stockhausen, Mauricio Kagel, Wolfgang Rihm und Jörg Widmann. Bis heute zählt es zu den wichtigsten Auftraggebern zeitgenössischer Kompositionen. Viel beachtete und preisgekrönte CD-Produktionen bestätigen den internationalen Rang des WDR Sinfonieorchesters.
Aktuell widmet sich das WDR Sinfonieorchester der Einspielung weitgehend unbekannter Werke von Komponistinnen, darunter das gesamte Orchesterwerk der polnischen Künstlerin Grażyna Bacewicz. Demnachst erscheinen eine Gesamtaufnahme der Rachmaninow-Sinfonien unter Leitung von Cristian Măcelaru sowie eine CD mit den zentralen Werken von Elsa Barraine.
Ein großes Anliegen des Orchesters ist es, auch junge Menschen für Klassik zu begeistern – mit Auftritten im Klassenzimmer und interaktiven Kinder- und Familienkonzerten wie beispielsweise »Das Konzert mit der Maus«. Auch für das erwachsene Publikum entwickelt das WDR Sinfonieorchester innovative, zugängliche Konzertformate wie die beliebten »Happy Hour«-Konzerte und schafft durch zukunftsweisende Videos neue Zugänge zu klassischer Musik. Die Konzerte des Orchesters sind regelmäßig im TV, Radio und im Livestream zu erleben.
Die Besetzung des WDR Sinfonieorchesters
Violine I
José Maria Blumenschein 1. Konzertmeister
Naoko Ogihara Konzertmeisterin
Ye Wu 2. Konzertmeisterin
Cristian-Paul Suvaiala Vorspieler
Faik Aliyev
Andreea Florescu
Linda Guo
Caroline Kunfalvi
Anna de Maistre
Pierre Marquet
Jacob Ormaza-Vera
Ioana Ratiu
Shin Sihan
Vassili Voronin *
Victor Andrey
Violine II
Brigitte Krömmelbein Stimmführerin
Barennie Moon Stimmführerin
Jikmu Lee stv. Stimmführer
Lucas Barr
Pierre-Alain Chamot
Maxime Gulikers
Robin-Lynn Hirzel
Ea Jin Hwang
Orest Kudlovskyi
Filippo Zucchiatti
Akari Azuma *
Geomji Noh *
Viola
Tomasz Neugebauer Solo
Katja Püschel stv. Solo
Gaelle Bayet
Felicitas Frücht
Marina Kosaka
Mircea Mocanita
Klaus Nieschlag
Sophie Nickel Akademie
Annina Stupan Akademie
Cosima Nieschlag *
Violoncello
Ulrich Witteler Solo
Simon Deffner stv. Solo
Susanne Eychmüller stv. Solo
Sebastian Engelhardt
Juliana Przybyl
Martin Leo Schmidt
Theresa Schneider
Paula Madden Akademie
Kontrabass
Olga Karpusina * Solo
Michael Peus stv. Solo
Axel Ruge stv. Solo
Raimund Adamsky
Akseli Porkkala
Julian Schlootz
Flöte
Sally Beck * Solo
Christiane Tétard stv. Solo
Martin Becker
Oboe
Gunde Hamraths * Solo
Svetlin Doytchinov stv. Solo
Jérémy Sassano Englischhorn
Klarinette
Nicole Schrumpf * Solo
Tim Kieselhofer * Bassklarinette
Gesine Rotzoll Akademie
Fagott
Marceau Lefevre * Solo
Eugénie Ricard stv. Solo
Stefan Kasper Kontrafagott
Horn
Haeree Yoo Solo
Noé Lehmann *
Maximilian Schellenberger
Canberk Yüksel
Trompete
Martin Griebl Solo
Daniel Grieshammer
Jürgen Schild
Posaune
Simon Seidel Solo
Fred Deitz
Stefan Schmitz
Tuba
Isaac Rodriguez Cotrofe *
Harfe
Emily Hoile
Pauke, Schlagzeug
Peter Stracke Solo
Johannes Steinbauer 1. Schlagzeuger
Johannes Wippermann 1. Schlagzeuger
Oguz Akbas *
Gal Krajcic *
Norbert Krämer *
Sebastian Wielandt *
Klavier, Celesta
Paulo Alvares *
* Gäst
Weitere Angebote
-
Ausstellung »Lichtbogen«
Kaija Saariaho ©privat
Die Musik Kaija Saariahos leuchtet, strahlt, glänzt und glitzert. Der Kosmos, das Firmament, die Landschaft und der Garten sind essentielle Themen im Oeuvre der finnischen Komponistin, die 1982 Paris zu ihrer neuen Heimat macht und sich der alten stets verbunden gefühlt hat.
Mit Fotos und Dokumenten zeichnet die Ausstellung wichtige Stationen der Komponistin nach. Und wie wird diese Musik notiert? Als Extra stellen wir zusätzlich zahlreiche ihrer Partituren zur Ansicht zur Verfügung.
-
Applausdusche – Eine interaktive Installation von Manos Tsangaris
Applausdusche ©Vanessa Stratmann
Treten Sie unter das Vordach der Kölner Philharmonie und einen Moment lang kommt von oben tosender Applaus aus zwei kleinen Lautsprechern. Dazu geht ein Scheinwerfer an, um das Gefühl zu intensivieren, sich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu befinden. Gönnen Sie sich die Applausdusche als eine kleine Stärkung für zwischendurch!
Mit Fotos und Dokumenten zeichnet die Ausstellung wichtige Stationen der Komponistin nach. Und wie wird diese Musik notiert? Als Extra stellen wir zusätzlich zahlreiche ihrer Partituren zur Ansicht zur Verfügung.
Hinweise
-
Ein digitales Programmheft?
Erleben Sie die Konzerte beim Festival ACHT BRÜCKEN auf neue Art und Weise – interaktiv, multimedial und jederzeit zugänglich mit dem neuen digitalen Programmheft.
Schon mehrere Tage vor dem Konzert ist das digitale Programmheft kostenlos verfügbar und bietet Zusatzinformationen und multimediale Inhalte.
Für den Konzertabend liefert das digitale Programmheft die gewohnten Hintergrundinformationen zu den Mitwirkenden, Komponist:innen und Werken und gibt einen umfassenden Einblick in das Konzertprogramm.
Eine Stunde vor dem Konzert wechselt das Programmheft in den Konzertmodus: Multimediale Inhalte werden deaktiviert und die gesamte Darstellung abgedunkelt, um den Konzertgenuss nicht zu stören.
-
Zur Nutzung des Mobiltelefons
Im Saal ist der Zugang zum Internet eingeschränkt. Bitte laden Sie das digitale Programmheft vor dem Konzert. Ein WLAN-Zugang steht Ihnen dafür im Eingangsbereich des Foyers zur Verfügung.
Während des Konzertes bitten wir Sie, Ihr Mobiltelefon auf lautlos zu stellen und den Modus »Nicht stören« zu aktivieren. Lehnen Sie sich zurück und genießen Sie es, einmal nicht erreichbar zu sein. -
Bild- und Tonaufnahmen
Wir bitten um Ihr Verständnis, dass Bild- und Tonaufnahmen aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet sind. Beim Schlussapplaus dürfen Sie zur Erinnerung und privaten Nutzung gern ohne Blitz fotografieren und Ihre Bilder auch auf Social-Media-Kanälen teilen, nicht aber filmen oder den Ton mitschneiden.
Redaktion
Sebastian Loelgen