ÉRMA Ensemble:
Angel Hernández Lovera *1984
Pfade, die sich verzweigen (2024)
für Ensemble
Uraufführung
Gérard Grisey 1946–1998
Jour, contre-jour (1978–79)
für elektrische Orgel, dreizehn Instrumente und Tonband
Pause
Fabrik Quartet:
Kathrin A. Denner *1986
Aeris (2024–25)
für Streichquartett
Milica Djordjević *1984
The Death of the Star-Knower, petrified echoes of an epitaph in a kicked crystal of time I & II (2008–09)
für Streichquartett
Wir danken dem Theater Krefeld & Mönchengladbach für die Bereitstellung der Orgel.

InSzene@ACHTBRÜCKEN
Werke von Angel Hernández Lovera, Gérard Grisey, Kathrin A. Denner und Milica Djordjević
10.05.2025
16:00
Mitwirkende
Mitwirkende
Programm
Programm
ACHT BRÜCKEN in Kooperation mit Podium Gegenwart des Deutschen Musikrates und den Stadtentwässerungsbetrieben Köln, gefördert durch die Brigitte-Wagner-Halswick-Stiftung.
Zu den Werken
Angel Hernández Lovera: Pfade, die sich verzweigen
Der Garten der Pfade, die sich verzweigen betitelt der argentinische Schriftsteller Jorge Luis Borges 1944 eine 13-seitige Erzählung. Sie spielt während des Ersten Weltkriegs: Yu Tsun, ehemaliger Englischdozent der Hochschule Tsingtau, der deutschen Kolonie in China (1898–1919), spioniert für die Deutschen in England. Er begegnet dabei dem britischen Sinologen Stephen Albert, der das chinesische Werk Der Garten der Pfade, die sich verzweigen dechiffriert hat, bei dem es sich nicht um eines der im alten China oft angelegten parkähnlichen Wandellabyrinthe handelt, sondern um ein labyrinthisches, symbolgeladenes, überzeitliches Buch, das ein Vorfahre Tsuns verfasst hat. Nach längeren Erörterungen über Inhalt und Struktur der auf Unendlichkeit angelegten Schrift erschießt der Spion den Gelehrten; nur so kann er seinen Berliner Auftraggebern den Namen der Stadt Albert (Frankreich) mitteilen, die es zu bombardieren gilt. Denn vom Mord des Sinologen, da ist sich Yu Tsun sicher, wird in der Zeitung stehen, ebenso seine Hinrichtung; der Verfolger klebte bereits an seinen Fersen.
Auf diese Kurzgeschichte bezieht sich der venezolanische, in Wien lebende Komponist Angel Hernández Lovera in seinem Ensemblestück Pfade, die sich verzweigen. Doch ist es nicht der Plot, der ihn dazu inspiriert hat; vielmehr sind es die Erläuterungen zu dem fiktiven Buch, dessen »unendliche Zeitreihen«, einem »wachsenden, schwindelerregenden Netz auseinander- und zueineranderstrebender und paralleler Zeiten«; »dieses Webmuster aus Zeiten, die sich einander nähern, sich verzweigen, sich scheiden oder einander jahrhundertelang ignorieren, umfasst alle Möglichkeiten« (Borges). Solche Aspekte verwebt Lovera in seiner Komposition zu einem Netz zahlreicher Wege: mit vielen Verzweigungen, Kreuzungen, auch Sackgassen, die alle gleichberechtigt nebeneinander existieren, sich teils gegenseitig spiegeln oder (scheinbar?) gar nichts miteinander zu tun haben. Manche semantische Note aus der Geschichte hat Lovera wohl zu Klangnoten in seinen »Pfaden« inspiriert, jedenfalls tönt etwa auch eine »perlende Musik«, von der bei Borges die Rede ist.
Gérard Grisey: Jour, contre-jour
Ein »geheimnisvolles Echo auf eine unvergessliche Lektüre«, so bezeichnet der französische Komponist Gérard Grisey sein 1978/79 entstandenes Stück Jour, contre-jour für elektronische Orgel, 13 Musiker und Vierspur-Tonband. Er meinte damit das Ägyptische Totenbuch, eine von dem Sprach- und Altertumsforscher Richard Lepsius 1842 edierte Sammlung mit Zaubersprüchen und liturgischen Anweisungen aus dem alten Ägypten, niedergeschrieben etwa 2500 bis 2000 Jahre vor unserer Zeitrechnung. In einem langgezogenen Prozess von musikalischem Licht und Schatten, in den auch vom Tonband zugespielte Atemgeräusche integriert sind, verklanglicht und veranschaulicht Grisey hier – aus vorgaliläischer Perspektive – die Wanderung der Sonne am Firmament. Die aus Obertonspektren und ergänzten Kombinationstönen generierten Klänge flirren, gleißen, leuchten, glühen; besäßen Sounds klimatische Temperaturen, wären sie hier heiß wie Wüstenluft am Tage. In der Nacht wird es dort bekanntlich kalt und auch Griseys Akkorde werden später kühler, tiefer und dunkler. Der altägyptische Sonnengott Re zog tagsüber mit seiner Barke über den Himmel; nachts besuchte er das Totenreich.
Kathrin A. Denner: Aeris
Das Streichquartett Aeris schrieb Kathrin A. Denner 2024/25 für das Fabrik Quartet, das es beim Stuttgarter Eclat-Festival 2025 uraufführte. Zu Aeris – was lateinisch »Luft« bedeutet, in einer ganz eigenen (phonetischen) Umschrift aus dem Japanischen aber auch »Erde« heißen kann – bemerkt die Komponistin, dass »dessen klangliche Sprache durch subtile Erweiterungen des instrumentalen Spektrums geprägt wird. Klangschalen bilden den Ausgangspunkt des Werkes – ihr Nachklang wird aufgegriffen und transformiert, um eine fragile, schwebende Struktur zu schaffen. Die Spieler:innen nutzen Spieltechniken wie Flageolette, sul tasto und sul ponticello, um feinstufige klangliche Übergänge und schillernde Texturen zu erzeigen. Das Werk thematisiert die Zerbrechlichkeit des Klangs und das Wechselspiel zwischen Resonanz und Stille, wobei der luftige Charakter der Komposition einen ephemeren, doch intensiven Klangraum entstehen lässt.«
Milica Djordjević: The Death of the Star-Knower, petrified echoes of an epitaph in a kicked crystal of time I & II
Der Titel von Milicia Djordejević’ 2008/09 komponierten Streichquartett The Death of the Star-Knower – petrified echoes of an epitaph in a kicked crystal of time I & II (»Der Tod des Sternenkenners – versteinerte Echos eines Epitaphs in einem getretenen Kristall der Zeit I & II«) legt zweifellos Spuren. Aber wohin? Zu den oft das Stellare akzentuierenden Werken des amerikanischen Komponisten George Crumb, der in seinen Partituren gerne ähnlich skurrile, indes metaphorisch oder konkret auflösbare Binnentitel und Bemerkungen notiert? Vielleicht. Die Komponistin hat bisher jedenfalls wohl keinen Metatext zum Titeltext ans Licht gelassen. So müssen die verbalen Spuren, die einfach einer Lust für die gebotene Benamsung entsprungen sein mögen – jedes Kind hat einen Namen, warum diesen oder jenen wissen manchmal selbst die Eltern nicht – direkt zur »perSon« (= durch Klang) führen. Und das Stück fließt in sämtlichen Details. Alles ist immer in Bewegung, ändert sich millisekündlich. Ein kontinuierlicher nervöser Strom mannigfacher, auch kontrastiver glissandierender (Misch-)Farben, aus dem sich gleichwohl in mehreren Anläufen konturierte Ereignisse, Ministories, thematische Eilande herausbilden. Doch rapide und stark weiter geht’s, die Situation und ihre in sich verschachtelten Dramaturgie(n) sind angespannt und spannend.
Stefan Fricke
Fragen an ...
Wir haben den Künstlerinnen und Künstlern acht Fragen gestellt, deren Beantwortung ein persönliches Bild darüber ergeben sollte, welche Aspekte ihre musikalische Arbeit beeinflussen. Es blieb ihnen freigestellt, welche und wie viele der Fragen sie in ihrer eigenen oder einer ihnen vertrauten Sprache beantworten.
»Das Wichtigste ist, dass die Musik Balance, Überraschungen und eine Botschaft für mich hat.«
Angel Hernández Lovera | Komponist

Angel Hernández Lovera ©Petra Sittig
Welche musikalische Assoziation haben Sie, wenn Sie das Festivalmotto »Licht« hören?
Licht ist für mich nicht nur ein physikalisches Phänomen, sondern auch eine Metapher für Klangfarben, Transparenz und emotionale Intensität in der Musik. In meinen Kompositionen spielt Licht oft eine Rolle als Impulsgeber für harmonische Schattierungen und spektrale Klangflächen.
Welche Rolle spielt für Sie die zeitgenössische Musik in Ihrer kompositorischen Arbeit?
Für mich spielt die zeitgenössische Musik eine entscheidende Rolle bei der Erweiterung meiner expressiven Möglichkeiten. Sie ermöglicht es mir, neue Klangwelten, Techniken und Strukturen zu erforschen, die traditionelle Konventionen herausfordern. Durch sie versuche ich, die Grenzen meiner musikalischen Sprache zu erweitern und mich mit der Entwicklung der Musik im heutigen Kontext zu verbinden.
Wie sind Sie zum Komponieren gekommen?
Als Kind im Orchester schrieb ich kleine Stücke, um sie mit meinen Mitspielern zu spielen. Als ich begann, Geigenunterricht zu geben, arrangierte ich Musik für meine Schüler. Später, als ich zu dirigieren anfing, musste ich Arrangements erstellen, um fehlende Instrumente im Orchester zu ersetzen. So lernte ich nicht nur zu komponieren, sondern auch das Orchester in all seinen Facetten kennen.
Machen Sie auch selbst Musik?
Ja, ich war jahrelang Geiger und habe in verschiedenen Orchestern gespielt.
Welche Musik fasziniert Sie beim Zuhören, die Sie nicht selbst komponieren?
Ich höre Musik aus allen Genres, von Renaissancemusik bis hin zur Volksmusik aus verschiedenen Ländern. Das Wichtigste ist, dass die Musik Balance, Überraschungen und eine Botschaft für mich hat.
Was kann Musik, was nicht?
Musik kann alles. Sie verändert Gesellschaften, formt Individuen und erfreut die Seele. Musik ermöglicht uns, auf die edelste und höchste Weise zu kommunizieren. Sie lässt uns interagieren und einander mit Respekt begegnen, wenn wir mit ihr arbeiten. Es gibt nichts Positives, das Musik nicht bewirken kann.
Was sind Ihre musikalischen Inspirationen?
Es hängt von vielen Faktoren ab: Was möchte ich mit dem Stück ausdrücken? Für wen schreibe ich? Warum komponiere ich es? Und wie viel Zeit habe ich, um all diese Einflüsse aufzunehmen, bevor ich beginne? Dadurch kann ich Inspiration in der Literatur, der Malerei, der Natur oder sogar in meinen eigenen Erfahrungen finden.
Denken Sie, es macht einen Unterschied, wenn man die Musik, die Sie komponieren, mit geschlossenen Augen hört, und wenn ja, welchen?
Meiner Meinung nach hat das Schließen der Augen beim Hören von Musik – sei es die eigene oder die eines anderen Komponisten – einen eher praktischen als meditativen oder philosophischen Zweck. Musik erfordert, dass unser Gehörsinn mit maximaler Intensität arbeitet. Wenn wir die Augen schließen, ermöglichen wir dem Gehirn, auf den Sehsinn zu verzichten. In diesem Zustand richtet sich die gesamte Aufmerksamkeit auf den Klang – wir können sogar die Vibrationen in unserem Körper spüren. Und wenn wir uns in einem Live-Konzert befinden, könnten wir die Musik vielleicht sogar riechen.
Welche drei Dinge, die irgendetwas mit Musik zu tun haben, würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen?
Eine venezolanische Cuatro, die darauf wartet, dass ich sie endlich spielen lerne. Alle Sonaten und Sinfonien von Haydn und jede Menge Notenpapier. Nur drei Dinge? ... mal sehen, womit ich jetzt schreibe.
»Zeitgenössische Musik fühlt sich lebendig an«
Yorgos Ziavras | Dirigent

Yorgos Ziavras ©Leander Mundus
Welche Rolle spielt für dich die zeitgenössische Musik in deiner Arbeit als Dirigent?
Parallel zu meiner Arbeit mit »klassischer« Musik bietet die zeitgenössische Musik ein Live-Erlebnis an, bei dem ich mich tief verbunden fühle und Teil der Geschichte und der Entwicklung der Musik sein möchte. Zeitgenössische Musik fühlt sich lebendig an – es ist eine Musik, die aus unserer Zeit stammt und danach strebt, uns einen Schritt weiter zu etwas Unbekanntem zu bringen.
Was kann Musik, was nicht?
Musik kann natürlich nicht alles, aber sie hat die Fähigkeit, unsere Wahrnehmung der Welt zu verändern, und das ist schon etwas. In diesem Kontext, »Musik verändert die Welt doch nicht aber sie verändert uns alle«.
Was sind deine musikalischen Inspirationen?
Meine Wurzeln, die Menschen in meinem Leben und neue Menschen, die kommen und gehen. Ich würde sagen, dass das Kennenlernen neuer Menschen, ihrer Geschichten, ihrer Kämpfe, ihrer Herkunft und ihres Weges die größte Inspiration für mich ist.
Denkst du, es macht einen Unterschied, wenn man die Musik, die du dirigierst, mit geschlossenen Augen hört, und wenn ja, welchen?
Das Spiel mit der »sensorischen Deprivation« ist ein interessantes Experiment. Und natürlich ist die Musik überall, egal ob man die Augen offen oder geschlossen hat. Ich schlage den Zuhörern vor, ihre Wahrnehmung während eines Konzerts immer wieder zu testen, indem sie entweder die Augen schließen, woanders hinschauen, sich bewegen (wenn möglich), das Programmheft lesen, sich mit ihrem Sitznachbarn unterhalten oder was immer ihrem kreativen Geist einfällt. Alles ist Teil des Spiels und eröffnet verschiedene Perspektiven.
Welche drei Dinge, die irgendetwas mit Musik zu tun haben, würdest du auf eine einsame Insel mitnehmen?
Eine Melodica (oder ein anderes, kleines Tasteninstrument), leere Notenblätter und ein Tonaufnahmegerät.
»Zeitgenössische Musik ist für mich ein Herzensanliegen.«
Anton Gerzenberg | Elektrische Orgel, Klavier

Anton Gerzenberg ©Andrej Grilc
Welche musikalische Assoziation hast du, wenn du das Festivalmotto »Licht« hörst?
Wenn ich an Licht denke, dann denke ich an das gesamte Farbenspektrum, welches in der Farbe Weiß steckt. Diesen Regenbogen finde ich in der Freiheit der zeitgenössischen Musik wieder, mit allen seinen Reflektionen und Brechungen.
Welche Rolle spielt für dich die zeitgenössische Musik in deiner musikalischen Arbeit?
Zeitgenössische Musik ist für mich ein Herzensanliegen. Egal welches Programm, ich versuche immer auch Neue Musik zu spielen, gerade wenn ich ein konservatives Publikum habe. Aber wie schön, bei einem Neue-Musik-Festival zu spielen!
Wie bist du zu deinem Instrument gekommen?
Bei mir war die Wahl des Instruments buchstäblich in die Wiege gelegt, meine Mutter ist Konzertpianistin und mein älterer Bruder hatte schon gespielt. Da war es ein natürlicher Schritt, mit dem Klavier anzufangen.
Gibt es ein Instrument, das du gerne einmal spielen würdest, aber noch nie versucht hast?
Ich wollte immer Bandoneon lernen, damit ich die Tangos von Astor Piazzolla spielen könnte.
Welche Musik fasziniert dich beim Zuhören, die du nicht selbst spielst?
Zurzeit schwebe ich zwischen der Musik von Alban Berg (Lulu), Joni Mitchell (Hejira) und Beyoncé (Cowboy Carter).
Was kann Musik, was nicht?
Musik kann heilen, aufwecken, ewig neu hörbar sein, kann nicht erklärt werden. Man muss sie hören, um sie zu begreifen, möglichst live!
Was sind deine musikalischen Inspirationen?
Eine große Inspiration ist Martha Argerich, eine andere für ihre volle Hingabe auf der Opernbühne der beste Strauss-Sopran aller Zeiten, Leonie Rysanek.
Gibt es etwas, das du deinem Instrument sagen würdest, wenn du könntest?
Darüber habe ich noch nie nachgedacht, aber ich denke, dass ich mit meinem Spiel viel mehr im Gespräch mit dem Klavier sein kann, als mit Worten.
Denkst du es macht einen Unterschied, wenn man die Musik, die du spielst, mit geschlossenen Augen hört, und wenn ja,welchen?
Wenn man die Augen schließt, kann die Musik komplett losgelöst von anderen Eindrücken wirken. Nur nicht einschlafen ist angesagt (außer man hat ein Nackenkissen dabei und schnarcht nicht)!
Welche drei Dinge, die irgendetwas mit Musik zu tun haben, würdest du auf eine einsame Insel mitnehmen?
Ich würde ein Klavier mitnehmen und Stimminstrumente. Und meinen alten iPod, mit 120 GB Speicher und seinem ewigen Akku (den ich leider verloren habe).
»Wir inspirieren uns gegenseitig beim Spielen.«
ÉRMA Ensemble

ÉRMA Ensemble ©Anna Tena
Welche musikalische Assoziation habt Ihr, wenn Ihr das Festivalmotto »Licht« hört?
Spektralmusik, ätherische Klänge, sul ponticcello in den hohen Streichern, Karlheinz Stockhausens LICHT.
Welche Rolle spielt für euch die zeitgenössische Musik in eurer musikalischen Arbeit?
Sie verbindet uns in unserer Leidenschaft und gibt uns die Möglichkeit, eine direkte künstlerische und musikalische Verbindung zur Gesellschaft herzustellen.
Warum seid Ihr ein Ensemble geworden? Welche Gründe, Ideen haben dabei eine Rolle gespielt?
Wir wollten gerne die großartigen Werke Vortex Temporum von Gérard Grisey und Cosmigimmicks von Unsuk Chin spielen. Spektralmusik und Musik mit einer Art Dramaturgie hatten von Anfang an eine große Anziehungskraft für uns.
Was kann Musik, was nicht?
Musik verbindet, unabhängig davon, woher die Zuhörer:innen und Musiker:innen kommen. Musik lässt sich nicht überhören, sie bleibt nie ungehört. Man wird immer von ihr berührt, auf unterschiedliche Weise, aber man ist nach dem Zuhören verändert, nicht mehr wie davor.
Was sind eure musikalischen Inspirationen?
Wir inspirieren uns gegenseitig beim Spielen. Wir sind alle sehr unterschiedliche Charaktere, und das macht es so inspirierend, Zeit miteinander zu verbringen und Musik zu machen, und in der Lage zu sein, jedermanns eigene Realität aus der eigenen Perspektive zu erfahren.
Denkt ihr, es macht einen Unterschied, wenn man die Musik, die ihr spielt, mit geschlossenen Augen hört, und wenn ja, welchen?
Ja, mit geschlossenen Augen kann man sehr genau nur die Klänge hören, was für uns beim Interpretieren zentral ist. Dennoch haben wir ja Augen, um die Kunst auch visuell zu empfinden. Es ist eine Art Mimik-Theater, eine Choreografie, bei der man in Echtzeit sehen kann, woher die verschiedenen Klänge kommen.
Welche drei Dinge, die irgendetwas mit Musik zu tun haben, würdet ihr auf eine einsame Insel mitnehmen?
Saat, um Bäume zu pflanzen, damit die Generationen nach uns aus ihnen Musikinstrumente bauen können. Neben der Bedeutung von »Gleichgewicht« hat ÉRMA auch die Bedeutung von »Keim«.
Einen Transponder, um nach einer gewissen Zeit elektronische Frequenzen zu erzeugen, damit wir wieder gefunden werden und in die Welt zurückkehren können, aus der wir kommen. Das ist nämlich der Ort, an dem wir als Ensemble am meisten beitragen können.
Das Dritte, die »Erfahrung, der Stille wirklich zu lauschen«, würden wir nicht mit auf die Insel nehmen, aber wir würden sie mit nach Hause bringen, wenn wir zurückkehren.
»Es gibt nichts, was Musik nicht kann.«
Fabrik Quartet

Fabrik Quartet ©Kathrin Benstem
Welche Rolle spielt für euch die zeitgenössische Musik in eurer musikalischen Arbeit?
Da wir ein Streichquartett sind, das sich mit der Erforschung und Interpretation zeitgenössischer Musik beschäftigt, tauchen wir ständig in dieses Genre ein. Ihre unzähligen Sprachen, Formen und Klänge faszinieren uns und regen unsere Neugierde täglich aufs Neue an.
Warum seid Ihr ein Ensemble geworden? Welche Gründe, Ideen haben dabei eine Rolle gespielt?
Wir haben uns im Rahmen der Ensemble Modern Akademie 2021/2022 kennengelernt. Dort konnten wir ein ganzes Jahr lang in verschiedenen Formationen, darunter auch im Quartett, eng zusammenarbeiten. Die Entscheidung, nach der Akademie das Fabrik Quartet zu gründen, entstand aus dem starken Wunsch, weiterhin gemeinsam zu spielen und musikalisch und persönlich zu wachsen, und aus der grenzenlosen Liebe zu dieser einzigartigen Besetzung.
Denkt Ihr, es macht einen Unterschied, wenn man die Musik, die Ihr spielt, mit geschlossenen Augen hört, und wenn ja, welchen?
Das können wir nicht mit Sicherheit sagen. Was unserer Erfahrung nach jedoch einen Unterschied macht, ist, sich dieser Musik mit »neuen Ohren« zu nähern. Wenn man beim Hören auf der Suche nach Klängen, Harmonien, Farben der klassischen Musik ist, wird man in vielen Fällen enttäuscht sein; wenn man sie hingegen mit offenem Geist und »frischen Ohren« hört, wird man sicherlich von ihrem enormen Ausdruckspotential beeindruckt sein, das sich aus Rhythmen, Klängen, Gesten zusammensetzt, die man in einigen Fällen vielleicht noch nicht erlebt hat, oder die man zumindest noch nicht von Streichinstrumenten gehört hat.
Was kann Musik, was nicht?
Musik kann inspirieren, provozieren, Veränderungen herbeiführen, neue Gedanken und Ideen hervorbringen, Energie kanalisieren, Bedeutung verleihen. Es gibt nichts, was Musik nicht kann. Sie ist in unseren alltäglichen Momenten, in jeder unserer Gesten und immer mit unserem tiefsten Selbst verbunden. Oft vergessen wir, uns zu fragen: Was ist Musik?
Welche drei Dinge, die irgendetwas mit Musik zu tun haben, würdet Ihr auf eine einsame Insel mitnehmen?
Auf einer einsamen Insel würde jeder/e von uns eine andere Saite, einen Bogen und die Partitur von Tetras von Iannis Xenakis mitnehmen.
Podium Gegenwart des Deutschen Musikrats
Das Podium Gegenwart des Deutschen Musikrats fördert die Entstehung, experimentelle Weiterentwicklung und Verbreitung neuer musikalischer Ausdrucksformen. Ziel ist es, die Akteur:innen der Szene in ihrem Wirken zu stärken und zu vernetzen sowie zeitgenössische Musik zu dokumentieren und Teilhabe zu ermöglichen. Podium Gegenwart unterstützt vor allem junge Spitzenkräfte in den Bereichen Komposition und Interpretation, unter anderem mit der Porträt-Reihe Edition Zeitgenössische Musik (EZM), der Ensembleförderung InSzene und dem European Workshop for Contemporary Music (EWCM).
Podium Gegenwart erhält seine Grundfinanzierung von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM). Die Projekte werden regelmäßig gefördert von der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) sowie vom Goethe-Institut und der Stiftung für Deutsch-Polnische Zusammenarbeit.
InSzene unterstützt herausragende Ensembles neuer Musik, die am Beginn ihrer professionellen Laufbahn stehen, in ihrer strukturellen und künstlerischen Entwicklung durch Maßnahmen zur nachhaltigen Professionalisierung. Als beratende Anlauflaufstelle bietet InSzene bedarfsorientierte Coachings und Seminare, eröffnet Freiräume zur künstlerischen Profilierung und Projektentwicklung, zur Etablierung zukunftsfähiger Strukturen und optimierter Außenwirkung. So werden die Geförderten individuell in Szene gesetzt.
gefördert von:
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Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM)
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Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL)
Hinweise
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Ein digitales Programmheft?
Erleben Sie die Konzerte beim Festival ACHT BRÜCKEN auf neue Art und Weise – interaktiv, multimedial und jederzeit zugänglich mit dem neuen digitalen Programmheft.
Schon mehrere Tage vor dem Konzert ist das digitale Programmheft kostenlos verfügbar und bietet Zusatzinformationen und multimediale Inhalte.
Für den Konzertabend liefert das digitale Programmheft die gewohnten Hintergrundinformationen zu den Mitwirkenden, Komponist:innen und Werken und gibt einen umfassenden Einblick in das Konzertprogramm.
Eine Stunde vor dem Konzert wechselt das Programmheft in den Konzertmodus: Multimediale Inhalte werden deaktiviert und die gesamte Darstellung abgedunkelt, um den Konzertgenuss nicht zu stören.
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Zur Nutzung des Mobiltelefons
Im Saal ist der Zugang zum Internet eingeschränkt. Bitte laden Sie das digitale Programmheft vor dem Konzert.
Während des Konzertes bitten wir Sie, Ihr Mobiltelefon auf lautlos zu stellen und den Modus »Nicht stören« zu aktivieren. Lehnen Sie sich zurück und genießen Sie es, einmal nicht erreichbar zu sein. -
Bild- und Tonaufnahmen
Wir bitten um Ihr Verständnis, dass Bild- und Tonaufnahmen aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet sind. Beim Schlussapplaus dürfen Sie zur Erinnerung und privaten Nutzung gern ohne Blitz fotografieren und Ihre Bilder auch auf Social-Media-Kanälen teilen, nicht aber filmen oder den Ton mitschneiden.
Redaktion
Sebastian Loelgen